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Blick auf das Schiffhebewerk Niederfinow alt (links) und neu (rechts)
©IHK Ostbrandenburg/Wilko Döll

Touristenattraktionen am Oder-Havel-Kanal

Das Schiffshebewerk in Niederfinow ist ein weltweit bekanntes Denkmal deutscher Ingenieur- und Wasserbaukunst, das jährlich etwa 250.000 Besucher anzieht. Schon während der Bauzeit von 1926bis 1934 war es ein viel bestauntes technisches Meisterwerk, dass an der 36 m hohen Abbruchkante zu den Oderniederungen entstand und die alte, aus vier gewaltigen Schachtschleusen bestehende Schleusentreppe ergänzte, die von 1914 bis 1972 in Betrieb war.

Die Entscheidung von 1997, ein neues, größeres Hebewerk für den Großmotor-Container-Schiffsverkehr zu bauen, bedeutet zwar nicht das endgültige Aus für das historische Schiffshebewerk, dennoch wird es für den Wirtschaftsfrachtverkehr in den Ruhestand geschickt und soll eine touristische Perspektive haben. Diverse Nebengebäude und Anlagen mussten dem Neubau weichen, wie zum Beispiel das alte Dieselkraftwerk, das ursprünglich 1926/27 als Baustromkraftwerk errichtet wurde. 
Die Geister schieden sich mit dem Bau des neuen Schiffshebewerkes beziehungsweise schon mit der Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses im Jahre 2005. Die Denkmalbehörden forderten damals den Erhalt des Dieselkraftwerkes an seinem originalen Standort, was nach Ansicht der Wasserstraßenbauverwaltung nicht möglich war. Das Schicksal des einmaligen Kraftwerks schien, ähnlich wie der Betriebshof der Treidelbahn oder Teile der Schleusentreppe, besiegelt. Der Planfeststellungsbeschluss sah vor, dass als Erinnerung an das technische Denkmal „Dieselkraftwerk“ ein Dieselmotorensatz erhalten und in einer durchsichtigen Hülle präsentiert werden soll. Die Denkmalschützer konnten angesichts des außerordentlichen Denkmalwerts der Anlage dem nicht zustimmen. 

Dr. Matthias Baxmann vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und des Archäologischen Landesmuseums erinnert sich: „Quasi in letzter Minute einigte man sich dann auf eine komplette Verlagerung der Anlage. Dafür wurde eigens der Planfeststellungsbeschluss geändert, der nunmehr vorsah, die gesamte technische Anlage eins zu eins in eine neue Bauhülle, die die alte zitiert ohne sie zu kopieren, als Schauanlage einzubauen. Das Amt Britz-Chorin übernahm die Trägerschaft für das Projekt und akquirierte mit Hilfe des Landkreises Barnim entsprechende Fördermittel. Die von der Planfeststellungsbehörde in Aussicht gestellten finanziellen Mittel zur Aufstellung eines Maschinensatzes in einer transparenten Hülle konnten als Eigenmittel eingesetzt werden. Unter Einbeziehung des brandenburgischen Landeskonservators Prof. Dr. Detlef Karg fand man parallel zum Unterhaupt des historischen Hebewerks einen geeigneten Standort an dessen Südseite. Die Wasserstraßenverwaltung stellte dafür die Fläche kostenfrei zur Verfügung. Der erste Spatenstich und die Grundsteinlegung der damaligen Wissenschafts- und Kulturministerin Prof. Johanna Wanka ist längst Geschichte. Der Bau, der auch ein Informationszentrum beinhalten sollte, kam gut voran, die Maschinen- und Anlagentechnik des Dieselkraftwerk wurde sorgfältig dokumentiert, anschließend demontiert, saniert und in das neue Objekt eingebaut. Vorher fuhren ehemalige Mitarbeiter und Enthusiasten die Ablage noch einmal hoch, ließen sie laufen und fertigten darüber einen Film an, der in dem Neubau gezeigt werden sollte. Diese Konstellation war letztlich nur möglich, weil alle Beteiligten einschließlich des Vorhabenträgers zum Schiffshebewerksneubau nach einer konstruktiven und denkmalverträglichen Lösung gesucht haben. Dabei war allen Beteiligten klar, dass es sich bei dem Dieselkraftwerk um bedeutendes technisches Kulturgut von nationaler und internationaler Bedeutung handelt, dessen Verlust nicht kompensierbar gewesen wäre. Dies gab letztlich den Ausschlag. Darüber hinaus ist das Vorhaben unter dem Aspekt der weiteren Abrundung der touristischen Infrastruktur am Standort Schiffshebewerk Niederfinow zu sehen. Im Kontext altes / neues Schiffshebewerk sowie historischer Schleusentreppe und Dieselkraftwerk und Wasserverkehrsstraßentopografie Finow – Kanal / Oder – Havel –-Kanal entsteht am Standort Niederfinow ein industriekulturelles Ensemble mit herausragendem Alleinstellungsmerkmal in Europa, das über ein großes touristisches Potential verfügt und gegenüber dem bereits jetzt beachtlichen Status quo entsprechende Steigerungsraten mit wirtschaftlichen Synergien für die gesamte Region erwarten lässt.“ Soweit der Experte zu den Umständen der erfolgreichen Rettung einer schon verloren geglaubten technischen Anlage.

„Diese besteht im Kern aus drei Dieselmotoren der Motorenwerke Mannhein A.G. mit einem direkt gekuppelten, offenen Drehstromgenerator der Firma Siemens-Schuckert, Berlin sowie einer direkt gekuppelten, offenen Erregermaschine. Die Motoren sind Vierzylinder-Dieselmotoren mit Vorkammerbrennsystem, wassergekühlt, stehend in Reihe mit einer Leistung von 150 PS bei 300 U/min und wurden mit Druckluft angelassen. Die Erregermaschinen haben eine Leistung von 4,5 kW bei 110 V Erregerspannung. Eine Druckluftanlage zum Starten der Motoren, die aus drei Druckbehältern und einem kleinen Kompressor besteht, befindet sich ebenfalls in der Halle. Darüber hinaus wird die gesamte Maschinentechnik durch die Nebenanlagen in signifikanter Weise ergänzt: Schalttafel, Auspuffanlage, Tagesbefüllungsanlage, Laufkran etc.“, beendet der Denkmalpfleger seine Gedanken und lädt damit unbedingt zu einem Besuch des Gebäudes ein. Die Besichtigung von der in das neue Gebäude eingebauten Balustrade aus, ist übrigens kostenlos und wird  durch die Tourismusinformation des Amtes Britz-Chorin-Oderberg betrieben, in der es nicht nur zum Dieselkraft- und Schiffshebewerk zahlreiche Informationen gibt, sondern auch zur näheren Umgebung.

In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass eine sehr eindrucksvolle Ausstellung im nahe gelegenen Pavillon des Wasserstraßenamtes vertiefende Einblicke in die Geschichte der Oder-Havel-Wasserstraße und mittlerweile in beide Schiffshebewerke in Niederfinow gibt. Sebastian Dosch vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Eberswalde rechnet mit der Inbetriebnahme des neuen Schiffshebewerkes in zwei Jahren. Danach regt er auch eine nochmalige Änderung der Denkmalkonzeption an. Das Dieselkraftwerk sei nun mal ein Bestandteil des alten Schiffshebewerkes und gehöre deshalb organisationstechnisch wieder in diesen Bereich der Denkmalanlage, so zumindest die Vorstellungen der Wasserstraßenbehörde. Doch das ist für Besucher aus heutiger Sicht nicht das Entscheidende. Sie freuen sich über ein nachhaltig genutztes technisches Denkmal, dass in dieser Komplexität wohl nur noch selten zu sehen ist. Vielleicht vergleichbar mit dem Schiffshebewerk und der Schleusentreppe mit ihren Nebenanlagen am Drei-Schluchten-Staudamm im Jangtsekiang in China“, so Dr. Matthias Baxmann. 
 

IHK | 06/2021 

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