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Zitat der Bündnissprecherin Monique Zweig, Hauptgeschäftführerin der IHK Ostbrandenburg zur den doppelten Grenzkontrollen Deutschland-Polen: "Wir fordern pragmatische Lösungen für einen reibungslosen Grenzverkehr. Wenn überhaupt, sollten diese von polnischen und deutschen Beamten gemeinsam durchgeführt werden. Die Frankfurter Stadtbrücke auf deutscher und die Grenzanlagen Świecko auf polnischer Seite könnten für eine zügige Abfertigung genutzt werden."
(c) weiter!denken/IHK OBB

Doppelte Grenzkontrollen = doppelte Belastung?

Anlass

Nach der jüngsten polnischen Ankündigung, am 7. Juli 2025 temporär wieder Grenzkontrollen zu Deutschland einzuführen, lässt sich zeigen: Mit den Instrumenten des Schengener Grenzkodex (SBC), flankiert von klaren deutsch-polnischen Kompromissen, können Pendler- und Warenströme trotz der neuen Maßnahmen weitgehend flüssig bleiben. Kernidee ist, das brachliegende Kontrollzentrum in Świecko auf polnischem Hoheitsgebiet als „Joint Border Control Hub“ zu reaktivieren und gleichzeitig mobile, gemischt besetzte Teams auf der Stadtbrücke Frankfurt (Oder)–Słubice einzusetzen. So bleiben die Kontrollen räumlich flexibel, befristet und rechtlich verhältnismäßig – und die europäische Verkehrs- und Wirtschaftsverflechtung wird geschützt.

 

 „Der Charme und die Prosperität Ostbrandenburgs sind auch immer mit unserem Nachbarland Polen verbunden. Gerade noch feierten wir die 25-jährige Partnerschaft unseres Landes mit der Woiwodschaft Lubuskie. Wir reden über die Ansiedlung von Serverfarmen im berlinnahen Raum. Jeder interessierte Investor schaut auch über die Oder, die lange Zeit keine Hürde für uns war. Die auf deutscher Seite seit mehr als anderthalb Jahren durchgeführten Grenzkontrollen und nun auf polnischer Seite für Montag angekündigten Grenzkontrollen zeichnen nun ein Bild der Verzagtheit. Unser Wirtschaftsraum östlich und westlich der Oder darf durch sie keinen Schaden nehmen. Wir fordern die Entscheider zu pragmatischen Lösungen für einen reibungslosen Grenzverkehr auf“,

bemerkt IHK-Hauptgeschäftsführerin Monique Zweig als Sprecherin für das Bündnis „Pro Wirtschaft“ hierzu. 

Wie kann dieser Sachverhalt gelöst werden?

Aktuelle Ausgangslage

  • Die polnische Regierung hat Kontrollen an den Grenzen zu Deutschland und Litauen ab 7. Juli 2025 notifiziert, um „unkontrollierte Migrationsströme“ einzudämmen
  • In Warschau steht die liberale Regierung unter Druck von PiS und Rechts­außen-Gruppen, die Bürger-Patrouillen an der Oder organisieren
  • Deutschland hält seinerseits seit Oktober 2023 eigene Binnengrenzkontrollen aufrecht und betont, Schengen dürfe „nicht von Schleusern missbraucht werden“
  • Für die Wirtschaft ist die Achse A12/A2 lebenswichtig: Ø 30 000 Fahrzeuge/Tag auf dem Abschnitt Świecko–Konin, ein erheblicher Anteil davon Lkw
  • Laut polnischem Statistikamt lagen 70 % aller Grenzübertritte 2024 an EU-Landgrenzen; allein im 1. Quartal 2025 stieg der Verkehr gegenüber 2024 um 0,9 Mio. Passagen – Verzögerungen treffen also direkt den Pendel- und Lieferverkehr.[1]

Polnische Beweggründe verstehen

Polen drängt auf sichtbare, aber effiziente Kontrollen, um migrations­politische Signale zu setzen, ohne das Export- und Pendlermodell entlang der Oder zu gefährden: Allein im Nachbar­bezirk Lubuskie gehen rund 42 % der Ausfuhren nach Deutschland.

Rechtsgrundlage für gemeinsame Lösungen

  • Art. 24 SBC erlaubt die Bereithaltung von Kontrolleinrichtungen an Binnengrenzen, selbst wenn die Kontrolle ausgesetzt bleibt.
  • Anhang VI Nr. 1.1.4 SBC legitimiert gemeinsame oder geteilte Kontrollstellen (shared BCP) auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats.
  • Die EuGH-Rechtsprechung verlangt eine strenge Verhältnismäßigkeits- und Zeitlichkeitsprüfung (Rs. C-368/20)[7]
  • EU-Kommission fordert, wirtschaftliche Beeinträchtigungen zu minimieren und schnelle „Green-Lane“-Konzepte einzusetzen[8]

Lösungsvorschläge

Weiter ! Denken bedeutet auch, dass als nötig erachtete Kontrollen räumlich flexibel, befristet und rechtlich verhältnismäßig bleiben – und die europäische Verkehrs- und Wirtschaftsverflechtung geschützt wird.

  1. Świecko Joint Border Control Hub

Element

Umsetzung

Rechtsanker

Umbau des ehemaligen polnischen Grenzgebäudes

6 Check-Spuren (davon 2 Lkw-Green-Lane, 1 Pendler-Fast-Lane mit RFID-Sticker)

Art. 24, Anhang III SBC

Gemischte Dienstgruppen

je 3 Bundespolizei + 3 Straż Graniczna; polnisches Hoheitsgebiet, deutsche Beamte mit grenzpolizeilicher Teilbefugnis

Verwaltungsabkommen gem. Art. 27 Abs. 5 SBC

Digitale Zeit-Slots

QR-Code-Voranmeldung für Lkw; Buchungsfenster 30 min

Art. 10 SBC (Verkehrsfluss)

Kontroll-Trigger

nur wenn polnische Notifikation aktiv; bei niedrigem Lagewert wird Spur automatisch freigegeben

Proportionalität (Art. 25 Abs. 3 SBC)

 

Mobile Teams auf der Stadtbrücke Frankfurt (Oder)–Słubice

  • Pop-Up-Kontrollinsel auf deutscher Fahrbahn­­hälfte für deutsche und polnische Grenzkontrollen nutzbar machen; nur stichproben­artige Personenkontrolle (≤ 5 % der PKW)[9]
  • Rechtlich gedeckt durch Anhang VI Nr. 5.2 SBC (Vielpendler-Erleichterungen).
  • Einsatzfenster werktags 06:00–09:00 Uhr und 15:00–18:00 Uhr, um Pendlerströme zu entzerren.
  • Gemeinsame Uniformierung → stärkt Akzeptanz, verhindert „Doppelkontrollen“.

Fazit

Die am 7. Juli 2025 startenden polnischen Grenzkontrollen müssen nicht zum Bremsklotz für die deutsch-polnische Wirtschaft werden. Durch die Reaktivierung des Świecko-Grenzkomplexes als bilaterales „One-Stop-Shop“ und mobile, stichprobenbasierte Teams auf der Stadtbrücke ließe sich das Sicherheitsbedürfnis Polens mit den Schengen-Grundfreiheiten und den Interessen der Wirtschaft in Ostbrandenburg vereinbaren. Entscheidend ist, jetzt die rechtlichen Hebel des SBC konsequent zu nutzen, die Implementierung eng von deutscher und polnischer Seite zu steuern und das Projekt als gemeinsames europäisches Projekt für smarte, proportionale Binnengrenzkontrollen und nicht als Alleingang anzugehen.

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[1]rzeszow.stat.gov.plstat.gov.pl

[2]reuters.comapnews.com

[3]polskieradio.plnotesfrompoland.com

[4]gov.pl

[5]home-affairs.ec.europa.eueur-lex.europa.eu

[6]ec.europa.eu

[7]curia.europa.eu.

[8]home-affairs.ec.europa.eu

[9]borders-in-motion.de.

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